Am vergangenen Montag stand unser Freund vor Gericht, nachdem er auf einer unserer Demonstrationen das Opfer von Polizeigewalt wurde. Ihm wurde Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Am Ende eines Prozesses, der viele Widersprüchlichkeiten aufwies, wurde er zu einer Geldstrafe von 1800€ verurteilt. Wir fassen das Wichtigste zusammen.
Unser Freund zeigte auch im Gerichtssaal große Standhaftigkeit. Er gab eine Erklärung ab, die wir im nächsten Beitrag mit euch teilen. Der Richter reagierte auf die Erklärung mit den Worten: „Das ist hier keine politische Debatte.“ Das zeigt die Ignoranz der Justiz. Sie betrachtet sich als unabhängig, lässt aber außer Acht, dass der ganze Prozess politisch ist, weil die Repression und Gewalt seitens der Polizei eine politische Taktik des Staates ist, und weil auch die Demonstration, auf der die Polizeigewalt sich ereignete, natürlich ein politischer Raum ist. Dass es eine Demonstration war, die im klaren Widerspruch zu den staatlichen imperialistischen Interessen steht, macht das Ganze nochmal brisanter. So etwas zu ignorieren, bedeutet nicht unabhängig zu sein, sondern als Justiz auf beiden Augen blind zu sein, wenn es um das grundlegende Bewusstsein über die Struktur unserer Gesellschaft geht. Wir leben in einer kapitalistischen Klassengesellschaft. Wer diese Verhältnisse ausblendet und beim Aufeinandertreffen von staatlicher Gewalt und Bürger*innen so tut, als wären es zwei Parteien auf Augenhöhe, stellt sich an die Seite der herrschenden Klasse.
Drei Polizisten traten als Zeugen auf. Zwei von ihnen, Kilian L. und Moritz G., beide 30 Jahre alt, waren die Täter, die unseren Freund so brutal festgenommen hatten. Sie schafften es nicht ein einziges Mal, unseren Freund, der auf der Anklagebank saß, anzuschauen. Die Polizisten sagten aus, dass unser Freund ihnen aufgefallen sei, weil er „emotional“ war und „verbal aggressiv“, als die Hundertschaft in die Demonstration stürmte, um willkürlich Redner festzunehmen, und weil er die „Distanz zu den Beamten verringert“ habe. Auf Nachfrage konnten sie sich nicht erinnern, wie sich diese verbale Aggressivität geäußert habe. An wesentlichen Stellen widersprachen sich die Aussagen der Zeugen. Moritz G. behauptete, dass sein Kollege von unserem Freund geschubst worden sei, und er daraufhin eingegriffen habe. Kilian L., der angeblich geschubste Polizist, hatte in der Befragung nichts davon erzählt, und auch die Videoaufnahmen der Polizei, die später angeschaut wurden, zeigten keinen Schubser. Dafür wurde klar, dass die Polizisten unseren Freund einfach packten und aus der Menge zogen, ohne wirklich mit ihm zu kommunizieren oder ihm zu erklären, warum er in Gewahrsam genommen wird. Auf Nachfrage, inwiefern sie denn mit ihm kommuniziert hätten, sagten sie, dass sie (behelmt und uniformiert) sich als Polizeibeamte zu erkennen gegeben hätten…
Der Verteidiger erklärte, dass jede Einsatzhandlung der Polizei gerechtfertigt sein muss. Das sei hier nicht der Fall. Erstens sei schon die eskalative Ingewahrsamnahme von Rednern durch die behelmte Hundertschaft, die der Situation vorausgegangen war, fragwürdig. Zweitens sei alles, was die Beamten als Gründe für ihr Eingreifen angaben, dass unser Freund „emotional“ und „verbal aggressiv“ gewesen sei und die „Distanz verringert“ habe, strafrechtlich irrelevant. Auf einer Demo laut oder emotional zu sein, sei ein Wesensmerkmal der meisten Demos. Als klar erkennbarer Versammlungsteilnehmer hätte unser Freund außerdem unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen müssen. Dieses Grundrecht aufzuheben, dürfe nicht einfach so geschehen, vor allem nicht ohne ihm zu kommunizieren, dass sein Recht auf Versammlung aufgehoben wurde. Alles in allem erklärte der Verteidiger, dass die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme gar nicht vorgelegen hätten.
Der Richter folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft und meinte, dass das Eingreifen „zur Verhinderung weiterer Straftaten“ rechtmäßig gewesen sei. Das ist eine klare Warnung an alle Versammlungsteilnehmer*innen: Wenn ihr zu emotional oder zu laut demonstriert, macht ihr euch strafbar! Und wenn Menschen willkürlich aus der Menge gezogen werden, geht nicht dahin, um zu gucken was passiert, oder um die Polizisten zur Rede zu stellen, denn auch damit macht ihr euch strafbar. Das Urteil tritt das Versammlungsrecht mit Füßen!
Die gute Nachricht ist, dass der Prozess die starke Solidarität innerhalb der Palästina-Bewegung aufgezeigt hat. Nicht nur im Gerichtssaal waren Freund*innen und Genoss*innen präsent, auch vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Menschen, um den Freispruch für unseren Freund zu fordern. Durch die Spenden, die wir auf den letzten Mahnwachen für die Prozesskosten gesammelt haben und durch die solidarische Großzügigkeit von Einzelpersonen konnten die gesamten Kosten von fast 3000€ übernommen werden. Solidarität heißt Widerstand!