Angesichts der am 09.10. hier veröffentlichten „Beobachtungen“ von Plattform Minimum zur Palästina Demo am 7. Oktober wollen wir einige dieser vermeintlichen Beobachtungen aufgreifen und richtigstellen. Uns geht es nicht darum, in Diskussion zu gehen mit Strukturen wie Plattform Minimum, da uns bewusst ist, wie weit unsere Positionen auseinander liegen. Wer den kolonialen Charakter des Zionismus und Israels abstreitet, entgegen aller historischer Fakten (um nur zwei Stichworte zu nennen: „Palestine Jewish Colonization Association“ und „Jewish Colonial Trust“), wer die rassistische und koloniale Konsequenz aus dem Zionismus nicht begreifen will (was folgt wohl aus dem Ziel, einen europäisch-jüdischen Staat auf einem Gebiet zu errichten, in dem mehrheitlich nicht-jüdische und arabische Menschen leben?), mit dem brauchen wir nicht in Diskussion gehen.


Uns geht es darum aufzuzeigen wie Strukturen wie Plattform Minimum lügen und manipulieren, um die Palästina-Bewegung zu diskreditieren.
Statt uns am gesamten Text abzuarbeiten, wollen wir ein paar Beispiele nennen, an denen das manipulative Vorgehen von Plattform Minimum deutlich wird. Erstaunlich ist, wie selbstsicher diese „Beobachtungen“ geteilt werden, als hätten wir keine Aufzeichnungen unserer Redebeiträge, die diese Behauptungen widerlegen.
Ich höre was was du nicht hörst – Plattform Minimum erfindet Aussagen


Erste Lüge: „Bei der Auftaktkundgebung erklärte der Hauptredner den 7. Oktober zur erfolgreichen Widerstandsaktion, die eine reale Chance auf die „Befreiung Palästinas“ eröffnet habe.“
Wahrheit: Das Wort „Befreiung“ kam in der gesamten Rede nur einmal vor, und zwar im Zusammenhang mit dem Sklavenaufstand von 1791 in Saint-Domingue und der darauf folgenden Haitianischen Revolution („die Befreiung der Sklaven von ihrer Unterdrückung und Ausbeutung“).


Zweite Lüge: „Auch brutale Gewalt wurde gerechtfertigt: Bei ,Befreiungsaktionen’ komme es notwendigerweise zu Mord und Vergewaltigung […].“
Wahrheit: An keiner Stelle in der Rede wurde brutale Gewalt gerechtfertigt. Wie dreist ist diese Lüge, da im Gegenteil gesagt wurde: „Das heißt nicht, dass Vergewaltigung, Folter, Verstümmelung und Mord an Unbewaffneten und Kindern rechtfertigt werden.“ Auch die Behauptung, dass Mord und Vergewaltigung als notwendiger Bestandteil von Befreiungsaktionen eingeordnet wurden, ist gelogen. Das Wort „Befreiungsaktion“ kam in der gesamten Rede gar nicht vor. Morde und Vergewaltigungen, die im Zuge von Widerstands- und Racheaktionen von Unterdrückten historisch vorkommen, wurden nicht als notwendig bezeichnet, sondern es wurde schlicht erklärt, wie es zu solchen Dingen kommen kann: „Die ganze Geschichte zu erzählen und den Kontext aufzuzeigen heißt, die Kolonisierten nicht mehr zu entmenschlichen, nicht mehr als wilde Tiere zu sehen, sondern gerade als Menschen in all ihrer Zerbrechlichkeit anzuerkennen, die unter unvorstellbarem Druck und Leid zu Mitteln greifen, die unter normalen Umständen undenkbar wären.“ Vergewaltigung, Verstümmelung, Folter und Mord wurden darüber hinaus als „Gräueltaten“ und „Verbrechen“ bezeichnet.


Dritte Lüge: „Eine Person ergriff nach der Rede das Mikrofon, um einige Aussagen des Vorredners der MLPD im Sinne der offiziellen Linie der Demo zu „korrigieren“: Man könne sich nicht von einem Teil des Widerstands distanzieren und die Hamas verurteilen; die meisten Toten unter den Israelis am 7. Oktober seien Israel zuzuschreiben; schließlich wurde erneut erklärt, dass es nur verständlich sei, wenn sich die Wut der Unterdrückten in Brutalität, einschließlich Vergewaltigung, ausdrücke.“
Wahrheit: In der spontanen Antwort auf die Rede der MLPD wurde nicht gesagt, dass sich nicht von einem Teil des Widerstands distanziert werden könne. Genauso wenig wurde gesagt, dass die Hamas nicht verurteilt werden könne. Auch wurde nicht behauptet, dass die meisten israelischen Toten am 7. Oktober Israel zuzuschreiben seien, sondern es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Israel an dem Tag die Hannibal Direktive aktivierte und aus Hubschraubern und Panzern auch auf die eigenen Soldat:innen und Zivilist:innen feuerte. Wie viele Tote auf israelischer Seite der israelischen Armee zuzuschreiben sind, lässt sich gar nicht beantworten, da es keine unabhängige Untersuchung der Geschehnisse des 7. Oktober 2023 gibt.


„Rhythmische Skandierung von Slogans“ – Ein extremistischer Verdachtsfall?


Zu den weiteren Lügen und Manipulationen, die im Text von Plattform Minimum eingesetzt werden, gehören die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus. Als könnten allen Ernstes Feindschaft und Hass gegen eine Religionsgemeinschaft und Ablehnung einer politischen Ideologie, deren Anhänger zum großen Teil christliche Fundamentalisten und überzeugte Antisemiten (Stichwort „John Hagee“) sind, gleichgesetzt werden. Darauf soll nicht weiter eingegangen werden. Es gehört zur Eigenverantwortung von Menschen, sich mit Zionismus als Bewegung und als Ideologie auseinanderzusetzen, bevor sie ein Urteil darüber fällen wollen.
Der Teil „Zur Reflexion des Charakters der Demo“ offenbart schließlich die völlige Schwurbelei als zentrales Element der vermeintlichen Erkenntnisse, die aus der Demonstration gezogen werden. Am besten, Menschen lesen diesen Absatz für sich selbst. Die „rhythmische Skandierung der Slogans“, der Einsatz von Trommeln auf einer Demonstration oder die Lautstärke von Reden und Sprechchören sollen als etwas Verdächtiges eingeordnet werden – was soll man dazu noch sagen?!


Auch der krampfhafte Versuch, den Kampf für ein freies Palästina als Kampf „gegen Juden als Kollektiv“ zu framen, sagt wohl mehr über die Menschen aus, die hinter dem Text und der Plattform Minimum stehen als über die Menschen, die für ein Ende des Genozids und ein freies Palästina auf die Straßen gehen. Im Weltbild der Israel-Apologeten und „Anti-Antizionisten“ werden Judentum und Zionismus/Israel gleichgesetzt – damit wird die weltweite jüdische Gemeinschaft, die so divers ist wie jede andere Glaubensgemeinschaft auch, mit Zionismus und Israel gleichgesetzt. Das ist nicht nur schlicht falsch, sondern auch antisemitisch. Die Pauschalisierung und Homogenisierung von Jüdinnen und Juden, in welcher Weise auch immer, ist rassistisch. Außerdem ist sie brandgefährlich, da suggeriert wird, alle Jüdinnen und Juden würden hinter Israel (und damit seinen Verbrechen) stehen, was Wasser auf die Mühlen derjenigen Antisemit:innen ist, die Jüdinnen und Juden weltweit für die Handlungen des israelischen Staates verantwortlich machen wollen.


Glaubt nicht alles was euch erzählt wird – macht euch selbst ein Bild!


Damit sich alle Menschen, die nicht auf der Demonstration waren, selbst ein Bild machen können, statt dem Gerücht über die Palästinenser*innen und die Palästina-Bewegung zu glauben, verweisen wir auf den Text des Redebeitrags, aus dem vermeintlich zitiert wird, sowie auf die Video-Aufzeichnung.


Wir wünschen uns, dass mit Beiträgen wie dem von Plattform Minimum, die die Palästina-Bewegung diffamieren wollen, vorsichtig und kritisch umgegangen wird. Aufgrund der Diffamierungen führt kein Weg daran vorbei, sich selbst ein Bild zu machen, unsere Veranstaltungen zu besuchen und mit uns ins Gespräch zu gehen.
All denjenigen, die mehr über die Problematik der pro-israelischen Antisemitismuskritik erfahren möchten, legen wir ans Herz, die Veranstaltung „Antipalästinensischer Rassismus im Namen der Antisemitismuskritik“ zu besuchen. Diese findet im Rahmen der Kritischen Orientierungswoche am 21.10.2025 um 20 Uhr im Hörsaal B120(FH) statt.


Hoch die internationale Solidarität und Freiheit für alle unterdrückten Völker!
Palästina Antikolonial

Letzte Änderung: 14. Oktober 2025